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Diagnose: Aufschieberitis

Gehört ihr auch zu den Leuten die alles gern bis zur letzten Minute aufschieben? Die sich, sobald sich die Prüfung nähert, lieber der unordentlichen Wohnung widmen als dem Skriptum? Wir haben das Phänomen „Aufschieberitis“ näher beleuchtet. Viel Spaß beim Lesen! 

Ich sollte es gar nicht laut sagen, aber ich bin nicht der fleißigste Mensch. Gar nicht. Ich bin aber auch nicht unbedingt faul oder unehrgeizig. Ich bin sogar ziemlich gewissenhaft. Alles was ich mache, will ich so gut wie möglich hinbekommen. Aber irgendeine seltsame Stimme in meinem Kopf bringt mich immer wieder dazu, wichtige Dinge zu verschieben. Auf morgen. Auf Übermorgen. Und manchmal passiert‘s, dass sie dann gar nicht erledigt werden. Ups. Dabei habe ich ja die ganze Zeit daran gedacht!

Kommt euch bekannt vor? Denke ich mir. Studien zufolge geht es mindestens 70 Prozent aller Studenten so, weshalb in der Psychologie sogar schon vom „Studenten-Syndrom“ die Rede ist. Offiziell heißt die im Volksmund schon lange bekannte „Aufschieberitis“ jedoch Procrastination und ist ein ziemlich gut erforschtes psychologisches Phänomen.

Wieso manche Menschen unangenehme Aufgaben vor sich herschieben als wäre es ihre Hinrichtung und andere ohne Murren und Zaudern sofort zur Tat schreiten, dazu gibt es viele Theorien.

Gefunden wurden Assoziationen mit genereller Ängstlichkeit, mangelndem Selbstwertgefühl, Angst vor Kritik und Versagen, Perfektionismus und besonders mit impulsivem Verhalten. Ja, es gibt sogar Versuche, die Aufschieberitis neurologisch zu erklären: Schuld sei eine zu niedrige Aktivierung  im frontalen Cortex, der für Planung, Impulskontrolle und Aufmerksamkeit zuständig ist und bei Procrastination - genauso wie bei ADHS übrigens – zu mangelhafter Fokussierung und Organisationsfähigkeit führt, sowie zur Tendenz zum Aufschieben.

In schweren Fällen, das heißt, wenn durch das ständige Aufschieben die Produktivität und das Studium bzw. die Arbeit sichtbar leidet, ist die Procrastination möglicherweise auch Symptom eines zugrundeliegenden psychischen Problems, wie z.B. Depression, Angststörungen oder eben ADHS.

Und ich rede hier vorwiegend von den schweren Fällen, nicht davon, dass man vielleicht schon zum vierten Mal vergessen hat, den Müll, der sich vor der Haustür stapelt, mit hinunter zu nehmen…

Studien haben ergeben, dass Aufschieber, die zum Beispiel eine Arbeit oder das Lernen für Prüfungen bis zur letzten Minute hinauszögern und dann alles unter enormem Stress und Zeitdruck erledigen, zwar ihre Sache letztendlich nicht so gut machen, wie sie es gekonnt hätten, wenn sie mehr Zeit darin investiert hätten, aber unterm Schnitt doch einen gleich guten Studienerfolg haben wie die tatkräftigen Sofort-Erlediger. (Was interessante Zahlen sind, in Anbetracht dessen, dass laut Umfragen ca. 75 Prozent der Studenten sich selbst als „Procrastinators“ bezeichnen würden.)

Erwiesen ist allerdings, dass der Ausnahmezustand kurz vor der Deadline bei Aufschiebern massiven Stress und Krankheitsanfälligkeit verursacht. Wodurch die Prüfung/die Abgabe/der Termin – leider, leider - wieder verschoben werden muss…

Um etwas nicht zu tun und das auch vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen wenden wir oft enorme Energien auf und bringen Abwehrmechanismen zum Einsatz, die ähnlich den Freudschen Mechanismen speziell bei Procrastinators gefunden wurden. Da hätten wir Avoidance, bei der Situationen oder Orte, die uns an die unangenehme Aufgabe erinnern, gewissenhaft gemieden werden. Oder – ganz beliebt – Distraction, das exzessive Beschäftigen mit etwas anderem, angenehmeren, das uns von dem ablenkt, was wir eigentlich tun sollten (Facebook!). Da gibt es noch eine Reihe weiterer Strategien, wie das Beschuldigen externer Faktoren, die außerhalb unseres Einflussbereiches liegen und es uns unmöglich machen, zu lernen/zu arbeiten/ den Müll runter zu tragen etc. oder das Herunterspielen der Wichtigkeit der Prüfung/des Arbeitsplatzes/ der Müllentsorgung. Naja, der Rest ist Studentenalltag…

Fazit: Aufschieben ist schlecht für die mentale und physische Gesundheit, verbraucht Energie, die wir eigentlich anderweitig einsetzen sollten und verhindert die Entfaltung unseres vollen Potentials.

Deswegen werde ich jetzt zu meiner To-do-Liste greifen und einfach loslegen! Es endlich hinter mich bringen! Ist doch nicht so schwer.

… Aber vorher schau ich noch schnell, was heute Abend im Fernsehen läuft…

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